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„Kein Kunde ist für die Ewigkeit gemacht“

Constanze Elter, Steuerjournalistin und Expertin für Selbstständigkeit, spricht im Interview darüber, warum Freiberufler betriebswirtschaftlich denken sollten, wie sie höhere Honorare erzielen und wie man Familie und Beruf miteinander vereinbaren kann.

Beim Thema Selbstständigkeit blühen viele Träume auf: Selbstbestimmtes Arbeiten, private Freiheiten, persönliche Entwicklung. Auf der anderen Seite bedeutet Selbstständigkeit auch für viele: Schlechte Honorare, kein Feierabend, keine Sicherheiten. Wie komme ich auf die Insel der Glückseligen?

Constanze Elter: Mit einem guten Plan. Viele, die sich selbstständig machen, bauen sich zu Beginn Luftschlösser. Nur weil man gut in seinem Handwerk ist – also zum Beispiel schreiben, fotografieren oder designen kann – ergibt sich daraus noch lange nicht, dass man auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Jeder Freiberufler arbeitet letztlich in einem Unternehmen, und zwar in seinem eigenen und das muss sich lohnen. Leider vernachlässigen viele, betriebswirtschaftlich zu denken.

Betriebswirtschaftliches Denken, Kunden gewinnen – wie fange ich denn damit an?

Constanze Elter: Der Ausgangspunkt sollte sein, dass man sich fragt: Wie viel muss ich verdienen? Wie viel will ich kann ich arbeiten? Und mit welcher Arbeit will ich mein Geld verdienen?

Es gibt immer noch Kunden, die bereit sind, für Qualität zu zahlen.“

Wie kann man diese Fragen denn beantworten?

Constanze Elter: Beispiel Verdienst: Man muss die eigenen Kosten genau aufschlüsseln, und zwar die betrieblichen genau wie die privaten Kosten. Bitte auch die Rücklagen für die Altersvorsorge nicht vergessen! Der Einfachheit halber kann man die kalkulierten Betriebsausgaben und Absicherungskosten mal drei nehmen – dann hat man ein realistisches Umsatzziel. Im nächsten Schritt rechnet man aus, wie viele Tage im Jahr man überhaupt arbeiten kann.

Realistisch sind rund 200 bis 220 Arbeitstage. An diesen Tagen muss ich aber auch meine Ablage, meine Buchhaltung und andere organisatorische Tätigkeiten erledigen – und akquirieren will ich ja auch. Mehr als 75 Prozent der Arbeitszeit bleiben da meist nicht für produktives, also bezahltes Arbeiten. Ein Beispiel: Habe ich mir ausgerechnet, dass ich pro Monat ein Umsatzziel von 5.000 Euro anpeile und habe ich im Monat rund 105 produktive Arbeitsstunden zur Verfügung, sollte ich mindestens einen Stundensatz von rund 50 Euro in Rechnung stellen.

Und dann stellen viele Freiberufler fest: Diesen Stundensatz können sie nicht bei jedem Auftrag verdienen. In vielen Branchen steigt die Konkurrenz und die Honorare stagnieren. Wie geht man damit um?

Constanze Elter: Mein subjektiver Eindruck ist, dass es immer noch Kunden gibt, die bereit sind für Qualität zu zahlen. Wer in die Preisdumping-Maschinerie gerät, muss stark genug sein, Aufträge abzulehnen. Darüber hinaus gehört zum betriebswirtschaftlichen Denken eben auch, dass man Antworten auf folgende Fragen findet: Wie positioniere ich mich am Markt? Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Wenn man sich von der Masse abhebt, erzielt man leichter höhere Honorare.

Was kann denn ein Alleinstellungsmerkmal sein?

Constanze Elter: Bei Journalisten kann es, ganz klassisch, ein bestimmtes Thema sein, mit dem man sich sehr gut auskennt. Aber auch ein vollbepacktes Adressbuch mit wichtigen Kontakten unterscheidet mich von anderen. Manche Fotografen bauen ihr eigenes Studio auf, andere kooperieren mit Illustratoren und Designern und können so einen größeren Service anbieten. Ein Alleinstellungsmerkmal kann auch die Kombination mehrerer Qualitäten und Fähigkeiten sein.

Wenn ein Kunde wegbricht, werden eigene Ressourcen frei und es kommt etwas Neues. Das kann auch sehr positiv sein.“

Und wie lange braucht man, bis man ein Alleinstellungsmerkmal für sich gefunden und ausgearbeitet hat?

Constanze Elter: Bei Existenzgründungen gilt ja die Regel, dass das eigene Unternehmen nach drei Jahren im grünen Bereich sein sollte. Ich denke, diesen Maßstab kann man auch an das Alleinstellungsmerkmal ansetzen. Dann müsste man allerdings auch von Beginn an daran arbeiten und es auch aktiv kommunizieren.

Es gibt Freiberufler, die arbeiten nur für ein oder zwei große Kunden. Andere leben vor allem durch Einzelaufträge und haben einen riesigen Kundenstamm. Was ist der bessere Weg?

Constanze Elter: Wichtig ist, dass man nicht nur einen Kunden hat, denn dann ist das wirtschaftliche Risiko zu groß. Ob man nun viele Kunden hat oder eine Hand voll: In der Selbstständigkeit ist nichts für die Ewigkeit gemacht. Selbst bei fixen Aufträgen, die über ein oder mehrere Jahre dauern, kann schnell etwas passieren. Der Projektleiter wechselt, das Geld geht aus, der Arbeitsbereich wird umstrukturiert – und schon ist der sicher geglaubte Kunde weg.

Mit dieser Situation sollte man leben können, sonst kommt man nie auf die Insel der Glückseligen. Wer länger im Geschäft ist, weiß auch: Wenn ein Kunde wegbricht, werden eigene Ressourcen frei und es kommt etwas Neues. Das kann auch sehr positiv sein.

Viele Frauen wollen alles zu hundert Prozent schaffen und stellen extrem hohe Ansprüche an sich selbst.“

Es gibt viele selbstständige Frauen, die im Grunde zwei Jobs haben: Kinder und Haushalt managen und die eigene Selbstständigkeit. Wie kann man beides unter einen Hut bringen? 

Constanze Elter: Das ist eine riesige organisatorische Herausforderung. Ich denke, man sollte nicht den Fehler begehen und versuchen, alles gleichzeitig zu machen. Wer auf dem Spielplatz mit dem Smartphone Mails beantwortet, wird dem Kind nicht gerecht, der Arbeit nicht und ist selbst auch nicht glücklich. Stattdessen ist es sinnvoller, seine Zeit klar in Arbeits- und Familienphasen zu trennen. In einer Arbeitsphase wird konzentriert gearbeitet und wenn das Kind von der Kita oder aus der Schule zurück ist, sollte man versuchen abzuschalten.

Eine selbstständige Mutter hat mir kürzlich gesagt, dass sie immer ein schlechtes Gewissen hat. Entweder hat sie keine Zeit für ihr Kind oder keine Zeit für ihre Kunden.

Constanze Elter: Dann hat sie die grundsätzliche Trennung ja schon verstanden. Vielleicht sind viele selbstständige Frauen einfach zu perfektionistisch. Sie wollen alles zu hundert Prozent schaffen und stellen extrem hohe Ansprüche an sich selbst. Aber der Magen-Darm-Virus kommt immer, wenn man ihn überhaupt nicht gebrauchen kann, und der Babysitter hat dann in der Regel auch keine Zeit. Mein Rezept ist, es mehr mit Gelassenheit zu sehen. Es klappt einfach nicht immer alles, so wie man es plant.

Ein weiterer Punkt, den man immer wieder in Gesprächen hört: Für viele ist Selbstständigkeit eigentlich die zweite Wahl. Sie wären gerne festangestellt, aber es klappt nicht – und dann ist man halt selbstständig. Was ist der richtige Weg?

Constanze Elter: Manche starten aus der Not in die Selbstständigkeit und erreichen Dinge, an die sie nie gedacht hätten. Aber wer einfach nicht glücklich wird mit dieser sehr freien und doch Disziplin abverlangenden Arbeitsweise, der sollte besser daran arbeiten, eine feste Stelle zu bekommen. Man ist ja kein besserer oder schlechterer Mensch, weil man selbstständig ist. Es sind einfach zwei verschiedene Arten des Arbeitens.

Vielen Dank für das Interview!

Zur Autorin

Constanze Elter arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt als freiberufliche Steuerjournalistin, Buchautorin und Dozentin. Sie hat sich darauf spezialisiert, komplizierte Steuer- und andere Wirtschaftsthemen für Leser verständlich aufzubereiten. Ihr Ratgeber „Selbstständig und dann?“ (noch erschienen unter ihrem vormaligen Namen Constanze Hacke) thematisiert Themen wie Kalkulation, Positionierung, Akquise und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihr neues Buch „Freiberufler: Fit fürs Finanzamt“ konzentriert sich auf Fragen rund um Buchführung, Rechnungen und Steuern.

Das Interview führte Benjamin O’Daniel, es ist ebenfalls in den Informationsdiensten Arbeitsmarkt erschienen.

Foto Copyright: Constanze Elter.

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