Finanzen Gründung

„Wenn kein Geld kommt, ist der Bierhahn zu“

Philipp Overberg ist selbstständiger Bierbrauer aus Münster. Mit seiner Gruthaus-Brauerei hat sich auf besondere, historische Biere spezialisiert. Und die können auch mal zehn Euro pro Flasche kosten.

Wir haben mit dem Unternehmer über wichtige Fragen gesprochen, die sich jeder Gründer am Anfang stellt: Wie verdiene ich mit meiner Geschäftsidee Geld? Warum muss ich immer den Markt im Blick behalten? Und wie gehe ich damit um, wenn Kunden ihre Rechnungen nicht zahlen?

Herr Overberg, Bier ist in Deutschland so beliebt wie in keinem anderen europäischen Land. Sie haben vor sechs Jahren eine Brauerei gegründet. Das klingt nach einer lukrativen Geschäftsidee. 

Es klingt so. In Wirklichkeit ist es aber ein eher ungünstiges Marktumfeld für eine Existenzgründung. 

Warum?

Der Wettbewerb unter den großen Brauereien ist sehr hart. Es gibt Preiskämpfe, man versucht, sich gegenseitig zu verdrängen, und vor allem kleinere Brauereien mit so schrägen Biersorten, wie ich sie mache, haben es da nicht leicht. 

Andererseits trinken die Deutschen aber auch immer mehr Bier. Vor ein paar Tagen las man die Meldung, der Bierabsatz sei wieder gestiegen.

Ja, die Leute trinken gern Bier, aber sie achten dabei auch sehr aufs Geld. Im Zweifel kaufen sie sich eher einen Sixpack im Supermarkt und setzen sich auf die Wiese, als in eine Kneipe zu gehen. 

Wie groß ist denn der Preisunterschied zwischen Ihrem Bier und dem der großen Brauereien?

Mein Bier ist ungefähr 3-mal so teuer wie Industriebier. In der Kneipe ist der Unterschied nicht so groß, aber man muss dabei sehen, dass das Bier dort sich ohnehin schon auf einem Preisniveau befindet, das viele Verbraucher nicht mehr akzeptieren. 

Dann wäre die Schlussfolgerung ja eigentlich, so billiges Bier wie möglich herzustellen. Sie machen das genaue Gegenteil. Gerade haben Sie ein Starkbier auf den Markt gebracht, das „Champagnerroggen-Tripel“ heißt und pro Flasche zehn Euro kostet. 

Ja, das ist allerdings eine 0,75er-Flasche mit einem schönen Champagner-Korken. Da kostet schon die Flasche etwas mehr, und das Bier ist in der Herstellung auch ziemlich teuer. Aber es ist genau andersherum, als man es erwarten würde: Das Bier verkauft sich besser als meine günstigeren Produkte. 

Wie erklären Sie sich das?

Das ist kein Produkt, das mit den einfachen Bieren der großen Brauereien preislich konkurrieren muss – was eine kleine Brauerei auch gar nicht könnte. Ich mache deswegen spezielle Biere, die eine besondere Qualität haben. Das bringt auch die Flasche zum Ausdruck. Und wenn die Leute wissen, wofür sie mehr Geld ausgeben, dann sind einige auch bereit, das zu tun. 

Also mit teurem Bier ist das Geldverdienen leichter?

So kann man das auch nicht sagen. Es gibt zwar diese beiden Welten: die des Industriebiers und die des Spezialbiers. Aber ich habe das Gefühl, dass man, auch wenn man sich auf den Spezialbier-Markt begibt, die Probleme des industriellen Markts nicht loswird. 

Das müssen Sie erklären. 

Es gibt einen harten Verdrängungswettbewerb und dazu noch die üblichen Branchenprobleme: schlechte Zahlungsmoral, Insolvenzen im Kundenkreis. Es ist ein hochriskantes Geschäft. 

Also Sie verkaufen Produkte für solvente Endkunden, haben es aber zunächst mit Abnehmern zu tun, die ihre Rechnungen nicht immer zuverlässig zahlen. 

Genau. Ich verkaufe nicht direkt an die Kunden. Das geht alles über Händler, und das sind zum einen einige wenige, die sich auf diese besonderen Biere spezialisiert haben, und ansonsten sind es klassische Getränkehändler, die auch ganz normales Bier verkaufen. 

Worauf muss man da als Gründer achten?

Man sollte sich auf keinen Fall zu fein dafür sein, das Thema Geld so wichtig zu machen, wie es am Ende betriebswirtschaftlich ist. 

Das haben Sie selbst am Anfang nicht getan?

Ich habe das falsch eingeschätzt, vielleicht war ich auch zu naiv. Ich hatte gedacht, ich beschäftige mich mit dem Produkt und mit neuen Kreationen. Aber wenn man ständig hinter dem Geld herrennen muss, ist das nicht so leicht. 

Was haben Sie falsch gemacht?

Mir war das immer peinlich, von Kunden Geld einzufordern. Ich fand es unhöflich, denen zu sagen: Du musst bitte in Vorkasse treten. 

Was ist schlimm daran? 

Das bedeutet ja im Grunde: Ich halte dich nicht für vertrauenswürdig. Und so will ich eigentlich nicht mit Kunden umgehen. Ich möchte auch nicht, dass man so mit mir umgeht, deswegen zahle ich meine Rechnungen auch immer sofort. Aber das halten eben nicht alle so. 

Wie sagt man einem Kunden denn, dass man das Geld schon gern vorher hätte, ohne unhöflich zu werden?

Das ist die große Kunst. Im Zweifel muss man wohl unhöflich werden und auch mal auf ein Geschäft verzichten, wenn ein Kunde dafür kein Verständnis hat. Dann ist es aber vielleicht auch ganz gut, wenn man diesen Kunden nicht hat. Und man muss auch bedenken: Es stimmt nicht immer alles, was Kunden einem erzählen.

Was zum Beispiel? 

Der Klassiker ist: Man fragt nach, wo denn das Geld bleibt, und dann kommt so was wie: „Ach, die Rechnung habe ich gar nicht bekommen. Schick die einfach noch mal, dann zahlen wir natürlich sofort.“ Das stimmt halt im Zweifel nicht. 

Und was macht man dann?

Man braucht ein dickes Fell, und man muss akzeptieren, dass es Teil des Spiels ist, dass man stumpf angelogen wird. Das muss gar nicht böse gemeint sein. Wie gesagt, in der Branche stehen alle unter sehr großem Druck. Das gibt aber nicht jeder gerne zu oder lässt es sich anmerken. 

Gibt es denn Kunden, die das anders handhaben?

Es gibt sie, aber es haben wirklich nur wenige so viel Selbstvertrauen zu sagen: „Du Philipp, ich hab gerade kein Geld, aber in zwei Monaten sieht’s wieder besser aus, und dann versprech ich dir, bist du der Erste, der sein Geld bekommt. Damit kann ich was anfangen. Das ist aber die totale Ausnahme. 

Es kann aber auch alles noch viel schlimmer machen, wenn man erst einmal zugibt, dass man seine Rechnungen nicht begleichen kann. 

Ja, das ist auch so. Das stimmt. Das hat tatsächlich Konsequenzen, weil diese Händler ja auch bei anderen Lieferanten ungünstigere Zahlungsmodalitäten wie kürzere Zahlungsziele oder Ware nur noch gegen Vorkasse bekommen, wenn das bekannt wird. Das ist aber das einzig Sinnvolle, wenn man überleben will. 

Ihr Eindruck ist also, dass die schlechte Zahlungsmoral nicht einfach nur eine Unsitte ist. 

Doch, es ist eine Unsitte. Die Kunden zahlen aber nicht so schlecht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie nicht anders können. Ich würde tatsächlich sagen, dass all meine Kunden es ernst meinen und gerne pünktlich zahlen würden. Den meisten gelingt das auch, aber es geht eben nicht immer. 

Sehen Sie eine Lösung?

Ich glaube, man kann bei sich selbst anfangen, indem man sehr strukturiert arbeitet. 

Inwiefern?

Man muss Rechnungen sofort stellen und gleich nachhaken, wenn ein Zahlungsziel nicht eingehalten worden ist. Es ist nicht ganz leicht, sich zu disziplinieren, aber dann merken die Kunden gleich: Der ist da hinterher. Sonst denken sie nämlich: Der schreibt seine Rechnungen so spät. Der scheint das Geld gar nicht zu brauchen. 

Wie disziplieren Sie sich?

Indem ich mir klarmache: Rechnungen schreiben – das macht man nicht einfach zwischendurch. Dafür muss man sich einen Tag freinehmen. Es ist wichtig, die Prioritäten anders zu setzen. Und da muss man eben auch mal sagen: Ich habe heute keine Zeit. Ich muss Rechnungen schreiben. 

Wie lief das früher bei Ihnen?

Da habe ich gedacht: Ach, jetzt ist gerade keine Zeit. Das mache ich am Wochenende. Aber da war ich dann auf einem Bierfestival. Dann blieb es oft liegen. Und wenn man das zu oft macht, wird alles nur noch schlimmer. 

Warum?

Dann beliefert man womöglich Kunden nach, von denen man noch gar nicht weiß, ob sie überhaupt vertrauenswürdig zahlen. 

Was ist denn ein guter Zeitpunkt, um eine Rechnung stellen?

Das ist nicht so leicht. Wenn man die Rechnung zu früh schickt, besteht die Gefahr, dass der Kunde denkt, man sei gierig, vor allem wenn dann nach zwei Wochen schon die Mahnung kommt. Und wenn man zu lange wartet, sagt der Kunde womöglich: „Du, das ist aber jetzt spät. Das Geld hab ich jetzt gar nicht mehr.“ 

Wie lösen Sie das?

Ich bemühe mich einfach, mir selbst klare Regeln zu setzen, die auch klar zu kommunizieren und dann auch sofort zu sanktionieren, wenn jemand sich nicht daran hält. 

Welche Regeln sind das?

Die wichtigste Regel ist: keine neue Lieferung, solange noch alte Rechnungen offen sind. Wenn kein Geld kommt, ist der Bierhahn zu. Das klingt hart. Aber ich habe festgestellt: Jeder anständige Geschäftsmann hat dafür Verständnis.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Interviews:

Zwei Wochen lang ein Restaurant leiten: Dieses Team gibt Nachwuchs-Talenten eine Chance

Dieser junge Bäcker backt nur Vollkornbrot – und ist genau deswegen erfolgreich

Autor

Benjamin O’Daniel ist Redaktionsleiter von Existenzgründer & Jungunternehmer. Sie haben ein Thema, das Sie interessiert? Dann schreiben Sie uns eine Mail.