Existenzgründung im Nebenerwerb: So gründen Sie mit wenig Risiko

Existenzgründer arbeiten Tag und Nacht in ihrer Firma? Gründer bauen riesige Unternehmen auf? Solche Geschichten liest man häufiger. Es hat mir der Wahrheit nur wenig zu tun.

Denn tatsächlich gründen jedes Jahr hunderttausende Menschen im Nebenerwerb.

Heißt im Klartext: Die Existenzgründer starten erst einmal klein für einige Stunden pro Woche. Meistens verdienen sie noch als Angestellte ihr Geld. Sie wollen etwas ausprobieren. Aber ohne direkt auf volles Risiko zu gehen. 

Dieses Vorgehen kann klug sein! 

Eine Existenzgründung im Nebenerwerb hat viele Vorteile. Zum einen ist eine solche Gründungsform sehr gut kombinierbar mit der familiären Situation. Viele Frauen kümmern sich um die Kinder. Wenn die Kinder jedoch im Kindergarten betreut sind, haben sie pro Tag drei bis fünf Stunden Zeit, um ihre Selbstständigkeit aufzubauen.

Auch für Männer kann eine Gründung im Nebenerwerb eine kluge Variante sein. Sie behalten im ersten Schritt ihre feste Stelle. So stellen sie sicher, dass eine bestimmte Summe pro Monat in die Familienkasse gespült wird.

Wer sich nebenberuflich selbstständig macht, der muss genau so professionell organisiert sein wie ein hauptberuflich Selbstständiger. Man muss sich einen klaren Zeitrahmen setzen und Ziele definieren. Zum Beispiel kann man sich auch einen Businessplan schreiben (Wer sich zwingt, seine Gedanken zu verschriftlichen, der verpflichtet sich stärker selbst).


Pro und Contra Nebenerwerb

Auch auf unserer Facebook-Seite gibt es immer wieder Diskussionen: Macht es Sinn, sich bewusst nebenberuflich selbstständig zu machen? Also nicht sofort mit 100 Prozent zu starten, sondern nur mit 10, 30 oder 50 Prozent seiner Zeit? 

Es lohnt sich, über die Vor- und Nachteile nachzudenken. Wir haben eine Liste aufgestellt. Es ist ein Anfang. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Sicher gibt es noch viel mehr Pro- und Contra-Argumente. Wir freuen uns über Kommentare und Ergänzungen!

Pro-Argumente für die Nebenberuflichkeit

  • Es ist ein pragmatischer Ansatz. Besser man hat einen "Brotjob", mit dem man seine Fixkosten deckt als einen Kredit aufzunehmen. So hat man eine Existenzabsicherung, falls es mit der Geschäftsidee nicht sofort klappt. Von staatlicher Seite gibt es außerdem so gut wie keine finanzielle Unterstützung mehr, seitdem der Gründerzuschuss praktisch eingestampft wurde.
  • Sie haben mehr private Freiheiten. Zwei Drittel aller Gründerinnen machen sich im Nebenerwerb  selbstständig, wie eine Studie der KfW-Bank zeigt. Die Frauen schätzen vor allem die zeitliche Flexibilität. So können sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen.
  • Sie können Ihr Angebot testen. Wer nebenberuflich selbstständig ist, kann seine Ideen testen und den Markt erkunden. Wer einige Zeit selbstständig ist, merkt irgendwann, dass es bestimmte Leistungen gibt, die sich gut verkaufen lassen oder für die man mehr Honorar oder einen höheren Preis nehmen kann. So kann man sich nach einiger Zeit spezialisieren und sich damit dann vollständig selbstständig machen.
  • Sie können in die Selbstständigkeit hineinwachsen. Bin ich wirklich gerne selbstständig? Was bin ich für eine Gründerpersönlichkeit? Möchte ich die Verantwortung tragen, von der Steuer, über Kundenakquise bis zu Verträgen? Viele Selbstständige müssen in solche Themen erst "hineinwachsen", besonders, wenn sie keine kaufmännische Ausbildung haben.

Contra-Argumente für die Nebenberuflichkeit

  • Selbstzweifel: Nebenberufliche Existenzgründer bremsen sich potenziell selbst aus. Statt ins kalte Wasser zu springen steht man am Beckenrand und kommt ins Grübeln, wie kalt das Wasser wohl ist. Oder wie es Jadranka auf Facebook formuliert hat: "Wer Angst vor dem Tor hat, der wird nie ein Tor schießen!"
  • Unter Wert: Manche nebenberuflich Selbstständige verkaufen sich unter Wert. Schließlich brauchen sie das Geld nicht. Damit untergraben sie nicht nur Marktstandards, sondern machen es sich selbst schwer. Denn kein Kunde spielt mit, wenn der Gründer auf einmal die Preise deutlich erhöht mit dem Argument: "Ich muss ja jetzt davon leben".
  • Druck kann gut sein! Wer das Geld nicht braucht, der muss sich auch nicht verändern. Oft löst der ökonomische Druck viel Bewegung aus - im positiven Sinne. Man muss etwas an seiner Situation ändern, und dazu gehören auch Dinge, die viele nicht mögen. Akquise zum Beispiel. Manche nebenberuflich Selbstständige sind im Kopf nicht flexibel und kommen auch zu den falschen Schlüssen. "Es klappt nicht", sagen sie. Obwohl man sagen müsste: "Es klappt auf diese Weise nicht." Es fehlt die "finale Konsequenz", schreibt Claudi auf Facebook.
  • Sie tanzen nur auf einer Hochzeit! Jeder, der zwei verschiedene Jobs hat, weiß wie es anstrengend es ist, auf mehreren Hochzeiten zu tanzen. Das gilt auch für Gründerinnen, die nebenberuflich selbstständig sind, weil sie sich um die Familie kümmern. Die eigenen Kinder zu managen, ist ein harter, Kräfte zehrender Job! Es besteht die Gefahr, dass die Selbstständigkeit "hinten runter" fällt.

Ein Businessplan für die nebenberufliche Selbstständigkeit

Sie wollen nebenberuflich gründen? Dann schaffen Sie sich eine Basis, um Stück für Stück an Ihrer Geschäftsidee zu arbeiten. Die Herausforderung besteht darin, dass Sie am Ball bleiben müssen. Denn sonst verliert man im Alltag schnell den Faden. 

Unser Tipp: Holen Sie sich eine Businessplan-Vorlage. Dort stehen alle wichtigen Fragen. Sie können jede Woche mehrere Stunden an Ihrer Vorlage arbeiten und haben so immer eine gute Struktur. 

Dazu gehören Fragen wie: 

  • Welches Produkt oder welche Dienstleistung will ich konkret anbieten? Wie unterscheide ich mich von meinen Wettbewerbern? 
  • Wie will ich mich finanzieren? Wie hoch müssen die Einnahmen sein und wie hoch sind die Kosten? 
  • Wie sieht meine Werbe- und Marketingstrategie aus? Wie erstelle ich zum Beispiel günstig und professionell einen Internetauftritt?

Wer im Nebenerwerb gründet, sollte nicht glauben, dass man „einfach mal so“ aufbaut. Schließlich soll es ja das Ziel sein, irgendwann mit der Selbstständigkeit genug Geld zu verdienen! 


Experten-Interview: "Startups sind die Ausnahme, nicht die Regel"

Das es immer mehr nebenberufliche Gründer gibt, beweist auch eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums. Mit den Forschern haben wir ein Interview geführt. Nun haben sie ihre Ergebnisse veröffentlicht. Einige Fakten aus der veröffentlichten Studie:  

  • Fast 60% aller Gründungen waren 2012 im Nebenerwerb.
  • Fast 50% aller Nebenerwerbsgründerinnen sind Frauen. Deutlich mehr als im Durchschnitt.
  • Nebenerwerbsgründer haben eine hohe Qualifikation vorzuweisen. 

Professor Jörn Block und der Doktorand Andreas Landgraf forschen an der Uni Trier über Selbstständigkeit und Entrepreneurship. Aktuell untersuchen die Wissenschaftler die Umstände von Nebenerwerbs-Gründungen. Auftraggeber ist das Bundeswirtschaftsministerium. Wir haben mit den beiden Forschern gesprochen.

 

Deutschland ist ja gerade im Berliner Startup-Fieber. Warum lohnt es sich denn Gründungen im Nebenerwerb näher untersuchen?

Das Gründungsgeschehen in Deutschland ist facettenreich und medial präsente Startups wie z.B. Zalando sind die Ausnahme, nicht die Regel. Mehrere 100.000 Gründungen pro Jahr finden im Nebenerwerb statt, je nach Quelle und Definition sind dies zwischen 35% und 55% aller Gründungen. Angesichts dieser Zahlen wird klar warum das Bundeswirtschaftsministerium diesen Aspekt des Gründungsgeschehens besser verstehen will und die Studie in Auftrag gegeben hat.

Nebenerwerbsgründungen können sehr unterschiedlich sein und sind nicht nur auf die Gründung zusätzlich zu einem Angestelltenverhältnis beschränkt, auch Rentner, Studenten, Hausfrauen/Hausmänner sind häufig Gründer/innen.

Für viele Menschen kommt eine Vollzeitselbstständigkeit auch gar nicht in Frage, z.B. aus persönlichen Gründen oder weil die Geschäftsidee nicht genügend Ertragspotential bietet um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine Nebenerwerbsgründung kann aber auch ein guter Weg sein, eine Geschäftsidee zu testen ohne gleich das volle unternehmerische Risiko einzugehen. Wir wissen einfach zu wenig über diese besondere Gruppe von Gründern. Daher die empirische Erhebung.

 

Mit Ihrer Studie wollen Sie die Bedingungen für nebenberufliche Gründer verbessern. Woran hapert es denn im Augenblick?

Im Moment existieren fast keine Informationen zu den Motiven und Bedürfnissen von Nebenerwerbsgründern, was angesichts der hohen Gründungszahlen in diesem Bereich überrascht. Auch die Förderung von Gründungen in Deutschland ist oft auf Vollzeitgründer fokussiert, denken Sie z.B. an Gründungszentren, Gründungsberatung, Seed- und Venture-Kapital Initiativen, etc.

Nebenerwerbsgründer bleiben hier meist außen vor. Die Studie soll erstmals ein umfassendes Bild der Gruppe der Nebenerwerbsgründer liefern um daraus dann konkrete Handlungsvorschläge für eine verbesserte Gründungspolitik abzuleiten.

 

Laut der KFW-Bank gründen zwei von drei Frauen ihr Unternehmen im Nebenerwerb. Ihre Einschätzung: Warum spricht diese Gründungsform gerade Frauen an? 

Eine Nebenerwerbsselbstständigkeit bietet oft Flexibilität die ein normaler Job nicht leisten kann. Wann, wo und wie viel gearbeitet wird kann meist an die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, dies ist für viele Frauen mit kleinen Kindern sicherlich ein wichtiger Aspekt.

Auch haben Untersuchungen gezeigt, dass Frauen generell risikoscheuer sind als Männer. Eine Nebenerwerbsgründung ermöglicht es eine Geschäftsidee erst einmal auszuprobieren ohne gleich alles auf eine Karte zu setzten. Dies sind aber alles nur Vermutungen, genaueres wird die Studie zeigen.

 

Gibt es bei Gründungen im Nebenerwerb nicht die Gefahr, dass man "nichts Halbes und nichts Ganzes macht? Positiv gefragt: Wie können Gründungen im Nebenerwerb erfolgreich sein?

Auch hier erhoffen wir uns von der Studie Erkenntnisse. Vermutlich ist ein gutes Zeitmanagement besonders wichtig um die unterschiedlichen Tätigkeiten erfolgreich zu vereinen.

Sich über das Ziel der Nebenerwerbsselbstständigkeit im Klaren zu sein ist sicherlich auch hilfreich - ist die Vollerwerbsselbstständigkeit ein langfristiges Ziel, oder nicht?

 

Was reizt Sie persönlich am Thema Gründungen im Nebenerwerb?

Nebenerwerbsgründungen sind bisher noch kaum erforscht. Hier gibt es viele spannende Fragestellungen aus wissenschaftlicher Perspektive. Das ist für mich als Wissenschaftler natürlich sehr interessant. Durch die zunehmende Flexibilisierung des Erwerbslebens und einen Trend hin zur Dienstleistungsgesellschaft werden Nebenerwerbsgründungen tendenziell weiter an Bedeutung gewinnen.

Außerdem reizt mich die Möglichkeit mit der Studie indirekt Gründungspolitik zu gestalten und etwas für die Gründer zu erreichen. In einem Großteil der Befragung geht es ja um die besonderen Hindernisse, Probleme und Schwierigkeiten der Nebenerwerbsgründer, z.B. in Bezug auf die Sozialversicherungssysteme oder die Bürokratie.

 

Vielen Dank!

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